Albert Ammons (1976)
AMIGA 850490 [Mono]
(1 Exemplar – eigene Sammlung)
Covertext
Albert Ammons: 1907 – 5 12.1949
Seine Wiege stand im Negerstadtteil, der „Southside“ von Chicago. Das genaue Geburtsdatum von Albert Ammons konnte nie ermittelt werden. Als Taxifahrer verdiente er sich seinen Lebensunterhalt, bis es ihm möglich war, vom vorwiegend autodidaktisch erlernten Klavierspiel zu existieren. Die „Boogie Woogie“-Pioniere Hersal Thomas und Jimmy Yancey erteilten dem musikbesessenen Albert Ammons zeitweilig Unterricht, aber auch Clarence „Pinetop“ Smith und Meade „Lux“ Lewis, mit denen er im gleichen Hause wohnte, dienten ihm als Vorbild. Schon nach überraschend kurzer Zeit stand er als künstlerisch adäquater Partner neben den Wegbereitern jener spezifischen Klavier-Bluesspielart, die als „Boogie Woogie“ zu einem internationalen Begriff werden sollte. Ende der zwanziger Jahre zählte Albert Ammons zu den anerkannten „Barrelhouse“-Pianisten Chicagos, und es waren vor allem seine wuchtig-massiven, variationsreichen, für die „Boogie Woogie“ typischen auf- und abrollenden Baßfiguren (walkin bass) der linken Hand, die sein Klavierspiel auf besondere Weise markierten. Hierzu bildete die teilweise einfach gestaltete Melodie figuration der rechten Hand einen spannungserzeugenden Kontrast. Während jedoch die meisten tonangebenden Boogie Woogie-Pianisten schon in den zwanziger Jahren Gelegenheit zu Schallplattenaufnahmen erhielten, ergab sich für Albert Ammons diese Chance erst 1936. Er hatte sie seiner Gruppe „Albert Ammons And His Rhythm Kings“ zu verdanken, in der erstmals – inspiriert vom steil emporsteigenden Swing – ein Boogie Woogie-Klavier von Trompete, Klarinette, Gitarre, Baß und Schlagzeug umgeben war. Die 1934-1938 wirkenden „Rhythm Kings“ stellten musikalisches Neuland und eine rhythmisch faszinierende Besonderheit der Swing-Ära dar. Sie basierten jedoch auf einer Idee von Albert Ammons, der damit sowohl der aufkeimenden „Rhythm & Blues“-Musik als auch dem schon bald zur Swing-Mode werdenden Big Band-Boogie Woogie die Weichen stellte. Den Durchbruch zur Popularität im weitesten Sinne erzielte Albert Ammons 1938, als er im Verein mit den Boogie Woogie-Virtuosen Meade „Lux“ Lewis und Pete Johnson in einem der berühmten „Spirituals To Swing“-Konzerte in der New Yorker Carnegie Hall mitwirkte. Das auf drei Flügeln interpretierte 12 Takt-Thema „Boogie Woogie Prayer“ gestattete sich zum vielbejubelten Konzerthöhepunkt und gilt seitdem als „Meilenstein“ der Boogie Woogie-Historie. Jener Trio-Auftritt entfachte eine regelrechte Boogie Woogie-Welle, führte zur Einflußnahme des Boogie Woogie auf den Jazz im allgemeinen, öffnete letztlich aber auch den Weg zur Kommerzialisierung, was eine klischeehafte Verflachung des ursprünglich vielschichtigen Boogie Woogie-Musizierens nach sich zog.
Aus dieser Entwicklung hoben sich die eigentlichen Schöpfer des Boogie Woogie (und inzwischen auch mancher Nachwuchs-Pianist, wie z B. Memphis Slim) wohltuend und souverän ab, nunmehr von Angeboten regelrecht überhäuft. Auch Albert Ammons erklomm die Position eines vielgefragten „Stars“ bei Schallplatte, Rundfunk und Klubmanagement, wobei Duodarbietungen mit Pete Johnson in den Vordergrund rückten. Ein Schlaganfall, der zur Lähmung beider Hände führte, riß den Künstler über Nacht aus seiner erfolgreichen Schaffensperiode. Erst 1944 vermochte er mit fast übermenschlicher Energie das Klavierspiel wieder aufzunehmen. Ihm gelang sogar in den letzten Jahren seines viel zu früh beendeten Lebens noch einmal ein künstlerisches Comeback, was auch neue Schallplattenaufnahmen ermöglichte, die teilweise auf dieser Langspielplatte enthalten sind. Sie belegen jene Boogie Woogie-Ära, in der sich zu speziellen Kompositionen auch zur Boogie-Stilistik „umfrisierte“ populäre Melodien gesellten. Daß bei einigen der vom typischen Ammons-Stil geprägten Einspielungen der Gitarrist Ike Perkins (er benutzte mit als einer der ersten die elektr. Gitarrenverstärkung) und Israel Crosby von den einstigen „Rhythm Kings“ sowie Albert Ammons‘ 1924 geborener Sohn Gene Ammons, der später als moderner Tenorsaxophonist bekannt wurde (gest. 6.8.1974), mitwirkten, ist eine zusätzliche Nuance dieser für den Liebhaber wertvollen Auf-nahmen. Sie gelangen anläßlich der gegenwärtig zu verzeichnenden Boogie Woogie-Renaissance zu neuer, aktueller Bedeutung, womit auch der Name Albert Ammons, der mit der Entwicklung des Boogie Woogie untrennbar verbunden ist, auf neue Weise lebendig wird.
Karlheinz Drechsel (1976)Titelliste
A1 – Swanee River Boogie – 2:32
Komposition: S. Foster
A2 – Boogie Woogie At The Civic Opera – 2:34
Komposition: H Young
A3 – S. P. Blues – 2:35
Komposition: H. Young
A4 – The Sheik Of Araby – 2:45
Komposition: T. Snyder / Fr. Wheeler / H. B. Smith
B1 – St. Louis Blues – 2:57
Komposition: W. C. Handy
B2 – You Are My Sunshine – 2:49
Komposition: J. Davis / C. Mitchell
B3 – Shufflin‘ The Boogie – 3:04
Komposition: R. Sherman
B4 – Twelfth Street Rag – 2:43
Komposition: E. Johnson
Zu Titel 1, 2 und 8:
Albert Ammans (p), Ike Perkins (g), Israel Crosby (b), Jack Cooley (dr)
rec. 1946, Chicago
Zu Titel 3, 5 und 7:
Albert Ammons (p), Marvin Randolph (tp), Gene Ammons (ts), Ike Perkins (g), Israel Crosby (b), Al Burroughs (dr)
rec. September/Oktober 1947, Chicago
Zu Titel 4 und 6:
Albert Ammans (p), unbek. g. b. dr
rec. 1949 Chicago
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